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Matthew Tyson
Contributing Writer

Was ist Worldcoin?

Analyse
04 Oktober 20236 Minuten

Worldcoin und sein World-ID-System könnten die Zukunft des Identity und Access Managements nicht unwesentlich beeinflussen.

Ein Blick in das Innenleben des "Orbs" - ein zentraler Bestandteil des Worldcoin-Projekts.

Ein Blick in das Innenleben des “Orbs” – ein zentraler Bestandteil des Worldcoin-Projekts.

Foto: Worldcoin

In einem der seltsamsten und aufsehenerregendsten Projekte der letzten Zeit versucht das Worldcoin-Projekt ein universelles Proof-of-Personhood-System zu etablieren – World ID. Dieses kombiniert Blockchain, künstliche Intelligenz und ein spezielles Stück Hardware in Kugelform zu einem biometrischen Authentifizierungssystem, das sicherstellt, dass all seine Teilnehmer menschliche Wesen sind.

Entwickelt wird das Worldcoin-Projekt vom Unternehmen “Tools for Humanity“, das im Jahr 2019 gegründet wurde, unter anderem von OpenAI-CEO Sam Altman. Die Mission: Mit dem quelloffenen Worldcoin-Protokoll ein öffentliches Identitäts- und Finanznetzwerk zu schaffen, an dem alle Menschen partizipieren können – unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem wirtschaftlichen Status.

In diesem Artikel lesen Sie, welche Technologien dazu integriert und eingesetzt werden sollen – und was das für die Zukunft von Identity und Access Management (IAM) bedeuten könnte.

Was ist World ID?

Es ist der heilige Gral der Authentifizierung – und gleichzeitig ein zweischneidiges Schwert, weil Missbrauch durch autoritäre Regime zu befürchten wäre: Ein Mechanismus, der eine Person mit einhundertprozentiger Sicherheit einer eindeutigen Identität zuordnen kann. World ID – das Proof-of-Personhood (PoP)-System von Worldcoin – stellt in Aussicht, den heiligen Gral zu realisieren und dabei das Missbrauchsproblem aus der Welt zu schaffen.

PoP-Systeme sind ein Forschungsgebiet, das insbesondere für Blockchain-Projekte relevant ist, bei denen es darum geht, dezentralisierte autonome Systeme (DAOs) zu entwickeln. Ein funktionsfähiges PoP-System hat das Potenzial, die Nachteile anderer Ansätze in diesem Bereich (etwa Abstimmungen auf der Grundlage der Anzahl der Token, die ein Nutzer besitzt) zu beseitigen und könnte die Grundlage bilden, um andere (High-Level-)Autorisierungsmechanismen zu entwickeln.

Die Kernidee besteht bei World ID darin, die einzigartige Struktur des menschlichen Auges wie einen Fingerabdruck zu nutzen, um eine Verbindung zwischen einer App (der World App) und einem Datensatz auf der Worldcoin-Blockchain herzustellen. Der Benutzer starrt in eine Metallkugel (“Orb”), um den Scan zu absolvieren – danach kann er die App verwenden, um sich zu identifizieren. Dabei kommt eine Vielzahl von Sicherheitsvorkehrungen zum Einsatz, die sich stark auf Zero-Knowledge-Beweise stützen, um Datenschutz zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern. Ein solches System in der realen Welt zu implementieren, ist mit einer Reihe von technischen und strukturellen Problemen verbunden, auf die das Whitepaper zum Worldcoin-Projekt direkt eingeht.

Ganz unabhängig davon, ob World ID in seiner jetzigen Form seine weiter gefasste Mission tatsächlich erfüllt oder nicht: Es ist wahrscheinlich, dass das Projekt Innovationen im IAM-Bereich zumindest anregen wird. Und: Worldcoin schärft das Bewusstsein für das Thema dezentralisierte Identität. Selbst ein unvollständig implementiertes World-ID-System könnte Innovationen im Bereich der Cybersicherheit vorantreiben.

Was ist der Worldcoin Token?

Teil des Worldcoin-Projekts ist auch ein Krypto-Token, das zur Unterstützung des Identitätsmanagementsystems entwickelt wurde. Die Worldcoin Token (WLD) fußen dabei auf der alten Idee des bedingungslosen Grundeinkommens: Jeder Mensch, der sich zu einem Iris-Scan bereit erklärt, erhält 25 Worldcoin Token – was einem Gegenwert von circa 55 Euro entspricht.

Auch dank der medialen Berichterstattung um das Projekt – die teilweise auch der ungewöhnlichen Kugelhardware geschuldet sein dürfte – hat der Worldcoin Token inzwischen eine beachtliche Verbreitung erfahren. Seine Marktkapitalisierung liegt aktuell bei rund 243 Millionen Dollar. Das sind verglichen mit der Marktkapitalisierung von Bitcoin (576 Milliarden Dollar) Peanuts – für einen neuen Token dennoch ein beeindruckender Wert.

Worldcoin und World ID – so funktioniert’s

Technologisch gesehen, verbindet die World-ID-Lösung viele verschiedene Bereiche – Biometrie, KI, Blockchain, Zero Knowledge – zu einem neuartigen Ganzen. Und so läuft der Prozess ab:

  • Im ersten Schritt gilt es, die World App zu installieren, die in etwa wie eine Crypto-Wallet funktioniert: Die App generiert ein kryptografisches Schlüsselpaar – der private Schlüssel wird sicher in der Wallet verwahrt, der öffentliche kann geteilt werden.

  • Als Nächstes muss der Nutzer einen der bereits erwähnten, physischen “Orbs” aufsuchen. Diese sind mit Kameras, Software sowie speziellen Chips ausgerüstet, um die Augen der User zu scannen, die Daten in ein kompaktes Format zu übertragen und anschließend mit einem One-Way-Hash zu versehen. Es gibt also keine Möglichkeit, diesen Prozess umzukehren und von einem Hashwert auf den Benutzer zu schließen. Um den Augen-Scan mit der App, beziehungsweise dem Wallet zu verknüpfen, kommt ein QR-Code zum Einsatz.

  • Sobald die Hardware die Scan-Daten generiert hat und der QR-Code aus der Wallet eingelesen ist, verfügt sie über ausreichend Informationen, um eine Anfrage an die Worldcoin-Blockchain zu senden, um auf Einzigartigkeit zu prüfen.

  • Worldcoin läuft auf Ethereum unter Verwendung eines interessanten Zero-Knowledge-Protokolls namens Semaphore. Im Wesentlichen ermöglicht es die Überprüfung, ob der Hashwert des Augenscans in der Gruppe verifizierter Nutzer vorhanden ist, ohne den Hash selbst preiszugeben. Wird festgestellt, dass sich der Iris-Scan “hinreichend von allen anderen unterscheidet”, wird er der Gruppe der akzeptierten Personen hinzugefügt.

  • Mit der in der Blockchain installierten Identität verfügt der Nutzer nun über einen Nachweismechanismus in Form der World App. Natürlich benötigt das System auch ein Mittel, um zu beweisen, dass dieselbe Person, die ihr Auge gescannt hat, auch das Telefon benutzt. Zu diesem Zweck verfügt die App über einige Mechanismen zur Benutzerauthentifizierung – etwa eine Gesichtserkennungsfunktion im Stil von Apples Face ID.

World ID lässt sich darüber hinaus auch in Drittanbieter-Apps integrieren (Web 2.0 und Web 3.0). Wie das im Detail abläuft, dürfen Sie an dieser Stelle im Whitepaper nachlesen.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CSO Online.